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Vom Schachbrett zum Cherub: Die Geschichte der BLANK Faltenrockengel

BLANK Spieldose farbig

Es gibt sie mit langem oder kurzem Rock, mit Klarinette, farbig und holzfarben, mit Zugposaune oder Klarinette: Die Faltenrockengel von BLANK sind ein echter Klassiker des erzgebirgischen Kunsthandwerks. Die Geschichte ihrer Entstehung ist spannend, tragisch – und in jedem Fall sehr erzählenswert.

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Vom Schachbrett zum Cherub: Die Geschichte der BLANK Faltenrockengel

BLANK Spieldose farbig
Kurzrock-Schwebeengel mit Klarinette natur

Ob Langrockengel mit Zugposaune, Kurzrockengel mit Bratsche oder Schwebeengel mit Blockflöte: Die zierlichen Faltenrockengel von BLANK zählen zu den Klassikern der Erzgebirgischen Volkskunst. Doch dass sie heute ihren festen Platz in der Welt des Kunsthandwerks gefunden haben, ist bei Weitem keine Selbstverständlichkeit. Die Erfolgsgeschichte der gedrechselten Engel ist ebenso bewegt wie das Leben ihres Schöpfers, dem im Jahr 1904 geborenen Georg Beyer. Wir möchten heute seine Geschichte erzählen.

Georg Beyer und das Kunsthandwerk im Erzgebirge

Das handwerkliche Geschick Georg Beyers zeigte sich schon früh. Nicht ohne Grund entschloss er sich also im Jahr 1919 eine Drechslerlehre zu beginnen. Nur zwei Jahre nach Abschluss seiner Ausbildung war er bereits Werksleiter des Ausbildungsbetriebs im erzgebirgischen Grünhainichen.

Die enge Zusammenarbeit mit Gestalterinnen und Gestaltern half ihm dabei, sich auch selbst fundierte Designkenntnisse anzueignen. Darüber hinaus war er auch an der Entwicklung technischer Innovationen beteiligt – zum Beispiel der Fassondrehmaschine, die eine Serienfertigung von Drehteilen ermöglicht und noch heute im Kunsthandwerk zum Einsatz kommt.

Leider sollte das Leben Beyers nicht lange so unbeschwert bleiben. Nach Ende des zweiten Weltkriegst geriet er in Gefangenschaft. Seine Geschicklichkeit rettete ihm in dieser Zeit wahrscheinlich das Leben. Das Lager, in dem er inhaftiert war, verfügte über eine eigene Tischlerei. In dieser wurde er angestellt, was wahrscheinlich seine Deportation verhinderte.

Kluger Schachzug: Eine einzigartige Idee geht in Serie

Während seiner Gefangenschaft entwickelte Beyer etwas, das Geschichte schreiben sollte: ein Reiseschachkästchen mit steckbaren Figuren. Die Umstände der Figurenfertigung waren dabei mehr als widrig – sie entstanden auf einer umgebauten Nähmaschine. Für das Schnitzen der Kästchen mit Schubladen musste ein Rasiermesser herhalten.

Nach seiner Freilassung ging es für Georg Beyer wieder bergauf: Sein patentiertes Reiseschachspiel wurde in Serie gefertigt – ab 1948 sogar im eigenen Betrieb in Olbernhau (Erzgebirge). In dieser Zeit entstanden auch viele Holzfiguren, darunter Blumenkinder, Osterhasen und Zwerge. Die größte Faszination übte für ihn aber die Fertigung von Engelfiguren aus.

Kurzrockengel mit Bratsche

Inspiration, die Flügel verleiht: Die Geburt des Faltenrockengels

Seine Begeisterung für Engel brachte Georg Beyer zu einem Kinderbuch namens „Firlipuzzli“, in dem ein gleichnamiger Engel sich aufmacht, die Welt zu entdecken. Dieses Buch war Beyers wichtigste Inspiration – und ließ in ihm die Idee reifen, einen Engel mit Falten im Rock zu drechseln.

Was erst einmal hübsch klingt, war selbst für den erfahrenen Drechsler eine echte Herausforderung. Es brauchte viele durcharbeitete Nächte – und auch so manchen Fehlversuch – bis der erste Faltenrockengel das Licht der Welt erblickte.

Von da an ging es Flügelschlag auf Flügelschlag: Neben den Engelmusikanten trugen bald auch Blumenkinder und Gabenbringer den einzigartigen Faltenrock. Mit ihnen legte Beyer den Grundstein für eine Sammelserie, die weltweite Bekanntheit erlangen sollte.

Ein Freund, ein guter Freund: Himmlische Helfer in der Not

Obwohl sein Unternehmen stetig wuchs, war Beyers Erfolg nicht von langer Dauer. Nach einer Auseinandersetzung mit dem Parteisekretär musste er seine Tätigkeit im Betrieb niederlegen. Wenigstens seine Entwürfe der Faltenrockengel durfte er glücklicherweise mitnehmen.

Kurt Lehnert, ein guter Freund Georg Beyers, half ihm dabei, nach diesem Rückschlag wieder Fuß zu fassen. Gemeinsam gründeten beide im Jahr 1955 die Heimatkunst Kurt Lehnert KG, Grünhainichen. Dort wurden sowohl Schach- als auch Engelfiguren hergestellt. Schnell wuchs das Unternehmen aus dem Erzgebirge auf 100 Mitarbeiter an.

Beyer, der sich stets auf Konfrontationskurs mit der SED befand, konnte die Verstaatlichung seines Betriebs im Jahr 1972 nicht verhindern, schlimmer noch: Im Jahr 1976 wurde er sogar entlassen. Zwar urteile ein Gericht, dass er wieder einzustellen sei, seine Position als technischer Direktor erhielt er aber nie zurück. 1985 starb er nach langer Krankheit.

BLANK Weihnachtspyramide natur

Drei Schutzengel fürs Familienerbe: Christine, Günther und Uwe Blank

Christine Blank, die Tochter Georg Beyers, verschrieb sich wie auch ihr Vater schon früh der Erzgebirgischen Holzkunst und arbeitete für viele Jahre mit ihrem Vater zusammen. Auch Günther Blank, ihr Ehemann, war lange Zeit in der Heimatkunst tätig. Im Jahr 1980 machte er sich selbständig – zuerst in Hennersdorf, ab 1882 mit einer Produktionsstätte in Grünhainichen, der Stadt der Engel. Dort wurde unter anderem auch die berühmte Glasglöckchenpyramide mit ihrem einzigartigen Klang gefertigt.

Nach zehn weiteren schwierigen Jahren war es die Wiedervereinigung, die der Familie Blank die Möglichkeit gab, das wertvolle Famlienerbe der Engel zu retten. Mit der Wende wurde das Unternehmen in den Familienbesitz zurückgeführt und die Herstellung der Kurzrock- und Langrockengel wiederaufgenommen.

Inzwischen war auch Uwe, der zweite Sohn Christine und Günther Blanks, in das Unternehmen eingetreten. Seine Ausbildung hatte der Holzspielzeugmacher in Seiffen absolviert. Von ihm wird die Kunsthandwerk-Tradition der Familie mittlerweile fortgeführt. Mehr als 70 verschiedene Engelmusikanten, 20 Schwebeengel, 40 Langrockengel, zahllose Blumenkinder und Kurzrockengel (farbig und in Naturholz) werden in Grünhainichen hergestellt und in die ganze Welt geliefert. Spieldosen, Adventsleuchter, Weihnachtspyramiden, Nussknacker und Schwibbögen komplettieren das Sortiment Erzgebirgischer Volkskunst.

Wir sind uns sicher: Könnte Georg Beyer einen Blick auf die nach seinem Vorbild liebevoll gefertigten Engel werfen – bestimmt wäre er himmlisch stolz auf seine Nachfahren.