Kunsthandwerk im Erzgebirge – Teil 2: Die hohe Kunst des Klöppelns

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Kunsthandwerk im Erzgebirge – Teil 2: Die hohe Kunst des Klöppelns

Klöppelsack
Klöppelsack

Handgemachtes besitzt im Erzgebirge einen hohen Stellenwert. Die filigranen Holzkunstwerke der Region kennt und liebt man mittlerweile auf der ganzen Welt. Aber nicht nur mit einzigartigen Drechselarbeiten erlangte das Erzgebirge Bekanntheit – auch am Klöppelsack ist man hier außerordentlich geschickt.

Die Geschichte des Klöppelns reicht zurück bis ins 16. Jahrhundert. Wir sind ihr auf den Grund gegangen und haben uns die traditionsreiche Handarbeitstechnik einmal genauer angesehen.

Vom Lebensunterhalt zum Freizeitspaß: Klöppeln im Erzgebirge

Das Klöppeln ist ein Kunsthandwerk zur Herstellung verschiedenster Spitzen mittels spindelförmiger Holzspulen und darauf gewickeltes Garn. Durch Verdrehen, Verkreuzen, Verknüpfen und Verschlingen der Fäden entstehen aufwendige Schmuckelemente oder ganze Bilder.

Viele Jahre lang wurde im Erzgebirge professionell geklöppelt. Heute trifft man sich in Gruppen, um dem Klöppeln gemeinsam als Freizeitbeschäftigung nachzugehen.

Einfach Spitze: So wird geklöppelt

Grundlage jeder Klöppelspitze ist der Klöppelbrief. Dabei handelt es sich um eine Mustervorlage, die meist urheberrechtlich geschützt ist – denn die Gestaltung und geometrische Berechnung eines solchen Entwurfs ist eine hohe Kunst, die nur wenige Handklöppler:innen beherrschen.

Klöppel

Die als Klöppel bezeichneten Holzspulen und der Klöppelbrief sind an einem Klöppelsack bzw. Klöppelkissen befestigt. Mindestens zwei paar dieser Klöppel werden durch Kreuzen und Drehen miteinander verflochten. Wer genug Erfahrung hat, kann mit bis zu 100 Holzspulen klöppeln.

Als Flechtmaterial kommt in erster Linie reißfestes Leinengarn zum Einsatz. Seltener werden auch Seiden- und Baumwollgarne verwendet. Sogar das Klöppeln mit Metallfäden ist möglich – hierfür braucht es aber besondere Klöppel. Damit beim Klöppeln nichts verrutscht, wird das Flechtwerk währenddessen mit Stecknadeln auf dem Kissen fixiert. Ist das Kunstwerk vollendet, werden diese wieder entfernt.

Andere Länder, andere Klöppel-Sitten: Im Erzgebirge wird traditionell auf einer Rolle mit Holzständer geklöppelt. In Frankreich und Belgien hingegen nutzt man Flachkissen.

Von Mailand nach Marienberg: So kam das Klöppeln ins Erzgebirge

Die Ursprünge des Klöppelns finden sich im Italien des 16. Jahrhunderts. Dort nutzte man diverse Flechttechniken, um die losen Fransen von Kleidungsstücken in feste, dekorative Kanten zu verwandeln. Es dauerte nicht lang, bis diese Technik sich großer Beliebtheit erfreute und die Spitzenkanten auch eigenständig gefertigt wurden.

Mit Le Pompe entstand 1557 in Venedig das erste Musterbuch für Klöppeltechniken. Aus diesem Zeitraum stammen auch die ersten erzgebirgischen Klöppelspitzen. Eine Person, die dabei nicht unerwähnt bleiben darf, ist Barbara Uthman. Die aus Annaberg stammende Unternehmerin war maßgeblich an der Verbreitung des Spitzenhandels im Erzgebirge beteiligt. Überlieferungen zufolge handelte sie mit Klöppelspitze nach Art des Verlagssystems: Sie gab Muster aus, ließ sie durch Klöpplerinnen umsetzten und verkaufte sie dann weiter. In ihren erfolgreichsten Jahren beschäftigte Sie ungefähr 900 Bortenwirkerinnen.

Klöppeln für das täglich Brot

Viele Frauen im Erzgebirge leisteten durch das Klöppeln einen wichtigen Beitrag zur Sicherung des Lebensunterhalts. Als der Bergbau mehr und mehr an Relevanz verlor, erlangten Handarbeitstechniken wie diese zusätzlich eine besondere wirtschaftliche Bedeutung für die Familien im Erzgebirge.

Klöpplerin Figur von Wendt & Kühn

Ab dem späten 19. Jahrhundert konnten Klöppelspitzen maschinell hergestellt werden – und die Dienste der Klöpplerinnen wurden nicht länger benötigt. Geklöppelt wurde nun nicht mehr in Lohnarbeit, sondern vorrangig als Freizeitbeschäftigung. Heute ist die Westsächsische Hochschule Zwickau deutschlandweit die einzige Bildungseinrichtung, die das professionelle Klöppeln im Rahmen des Fachbereichs Angewandte Kunst lehrt. In regionalen Vereinen und Freizeitgruppen wird aber natürlich weiterhin fließig geklöppelt.

Zu den bekanntesten Spitzen des Klöppelhandwerks zählen die Flechtspitze (Renaissance), die Mailänder Spitze (Barock), die Brüsseler Handklöppelspitze (Rokoko) und die Russische Spitze (Klassizismus). Eine der wenigen Spitzen mit deutschem Ursprung ist die Schneeberger Spitze. Sie entstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts an der Königlichen Spitzenklöppel-Musterschule Schneeberg. Dort suchten die Lehrkräfte nach Möglichkeiten, um Handklöppelspitze auf möglichst schnelle und unkomplizierte Weise herstellen zu können. Das Besondere an Schneeberger Spitze ist die relativ geringe Zahl der verwendeten Klöppel (6 bis 8 Paare), durch die schwungvolle Spitzen, die sich im Wechsel verjüngen und ausweiten.

Klöppeln als Motiv in der Erzgebirgischen Holzkunst

Schwibbogen mit Bergbau-Motiv

Die Geschichte zeigt: Das Klöppeln ist ein wertvolles Kulturgut des Erzgebirges – und so ist es kaum verwunderlich, dass sich das Motiv der Klöpplerin immer wieder auch in den Holzkunstwerken der Region wiederfindet. Namhafte Hersteller wie Wendt & Kühn haben der Klöpplerin eine eigene Figur gewidmet – und natürlich findet sie sich auch auf dem bekanntesten Schwibbogen-Motiv des Erzgebirges wieder.

Wer genau hinsieht, entdeckt darauf ein weiteres typisch erzgebirgisches Handwerk, dem wir uns als nächstes widmen möchten. Ein Tipp: Es geht ein weiteres Mal um den beliebten Werkstoff Holz.